Es ist eine echte Extremsituation.
Ich befinde mich in Kuantan, Malaysia,
von dem ich noch nichts gesehen habe, da wir uns direkt in ein
10-tägiges Meditations-Retreat begeben haben. Am 1., 2. und 3. Tag
ist es mir nicht möglich, auch nur das Geringste auf zu schreiben.
Man kann einfach keinen klaren Gedanken fassen! Man ist wie im Nebel
– in totale Verwirrung getaucht. Davon ganz abgesehen, ist es
verboten, zu schreiben. Aber diese Regel breche ich nun, da ich
dokumentieren will, was in mir vorging.
Fangen wir von vorne an:
Der erste Tag beginnt für mich mit dem
Schock des frühen Aufstehens. Um 4 Uhr ertönt der Weck-Gong. Um
4:30 Uhr müssen alle in der Halle versammelt sein zur ersten
Meditation, die bis 6:30 Uhr andauert.
Mr. Goenka wird nicht zitiert und seine
Lehre nicht von Anderen unterrichtet, auf das sie im Original und
unverfälscht den Schüler erreiche. Wir sollen nun nicht mehr nur
die Nase, sondern den ganzen Körper spüren. Dabei geht man geordnet
vor. Erst Kopf, Gesicht, Hals, rechter Arm, linker Arm, Vorderseite
des Körpers, Rückseite des Körpers, Beine und Füße.
Wer nun meint, ach was, man sitze doch
eh den ganzen Tag faul herum und habe genügend Zeit zum Nachdenken
und Entspannen, der irrt gewaltig!
Die ersten 3 Tage konzentriert man sich
nur auf seinen Atem. Wie er in die Nase einströmt und wie er
ausströmt.
Dabei ist es wichtig, dass man nur
beobachtet und sich keine Gefühle dazu erfindet oder weg denkt. Man
solle sich voll und ganz auf das Hier und Jetzt konzentrieren, auf
die Gegenwart. Denn wir sind gewohnt, in der Vergangenheit und
Zukunft zu denken und das sei nicht gut – so rät der Guru – denn
wenn man nicht lernt, im Hier und Jetzt zufrieden zu sein, dann wird
man es auch in Zukunft nicht sein.
So kommt es also, dass man am Tag 12
Stunden damit verbringt, seine Nase zu beobachten. Harte Arbeit.
Gegen die ungewohnte Situation
rebelliert der Körper und der Verstand mit aller Kraft.
Denn wir sind nicht darauf trainiert,
uns auf nur eine Sache zu konzentrieren im Zeitalter des
Multitasking.
Unser Verstand wird täglich durch
verschiedenste Ablenkungen, wie Fernsehen, laute Musik, Arbeitswelt
und Motorenlärm immer schwächer und schwächer gemacht. Der
Verstand ist derart verwirrt, dass wir die meisten Gedanken, die wir
haben (die ohnehin unwichtig sind) noch nicht einmal zu ende denken.
Geschweige denn, dass wir am Tagesende noch wüssten, was wir heute
alles gedacht haben.
Nun kommt dieser durchlöcherte
Verstand in die Situation, wo er sich 12 Stunden ohne größere
Pausen konzentrieren soll.
Ohne Übertreibung – die ersten 3
Tage sind furchtbar. Man kann sich keine 3 Minuten am Stück
konzentrieren, geschweige denn eine ganze Stunde. Derart viele
Gedanken schießen einem durch den Kopf, dass man Angst hat,
durchzudrehen. Diese Gedanken sind blödsinnig, nicht vollständig,
meist von Ablehnung und Zweifeln durchzogen.
Man regt sich über sich selbst auf:
Kann ich denn wirklich keinen klaren Gedanken fassen? Was soll all
dieser Blödsinn in meinem Kopf? Bin ich am Ende doch nur ein
schlechter, verbitterter Mensch, der nur Negatives denken kann? Warum
komme ich nicht klar? Ich muss doch einfach nur an „Nichts“
denken!
Aber du kannst nicht an „Nichts“
denken, um keinen Preis der Welt.
Der Verstand ist voll von Aversionen.
Er ist irritiert bis ins Äußerste, denn er muss zum ersten Mal
seine gewohnten Bahnen verlassen.
Dazu kommen die körperlichen
Beschwerden. Das lange Stillsitzen und die ungewohnte, aufrechte
Haltung. Das frühe Aufstehen. Das Sprech- , Schreib- und Leseverbot.
Der fehlende Ausgleich zum Feierabend – denn es gibt keinen
Feierabend. Die Freiheit, sich zu bewegen. Das Gelände ist klein und
darf nicht verlassen werden. Man kann einen gepflasterten Weg auf dem
Gelände auf und ab laufen, was ich jeden Abend – aus lauter Not -
auch tue. Die Berührung mit der Natur und ihre Nutzung als
Energiequelle fällt so gut wie weg.
Manche Menschen scheinen natur- und
freiheitsliebender zu sein, als andere. Jedenfalls scheint es den
meisten nicht viel aus zu machen, dass sie sich den ganzen Tag nicht
bewegen. Ich dagegen laufe den gepflasterten Weg auf und ab wie eine
Ratte in einem zu engen Käfig.
Darüber hinaus sind weitere Regeln für
Freigeister schwer erträglich: Die Abgabe sämtlicher Wertsachen
inklusive das Ausweises. Das Gelände darf auf keine Fall vor den 10
Tagen verlassen werden. Die Passabgabe finde ich persönlich
bedenklich: Denn wie soll man einem Meister vertrauen, der seinen
Schülern nicht vertraut?
Der 3. Tag
Es ist so heiß, dass man beim
Meditieren eigentlich nur mit Schwitzen und Sitzen beschäftigt ist –
ein Gewitter zieht auf. Die Fliegen schwirren herum und setzen sich
immer wieder hartnäckig auf die verschwitzte Haut. Die
Mitmeditierenden husten und schnupfen, einige chinesische Kollegen
rülpsen ungeniert. Die Luft steht.
3 Tage sind nun schon vergangen und ich
habe das Gefühl, wir hätten noch nichts gelernt, außer unsere Nase
zu beobachten. Aber diese 3 Tage haben ihre Berechtigung. In diesen 3
Tagen haben wir unseren Verstand darauf trainiert, sich auf eine
bestimmte Sache zu konzentrieren und allen anderen Gedanken keine
Bedeutung bei zu messen. Beharrlich zu bleiben, Gedanken kommen und
gehen zu lassen. Das Gefühl der Frustration, immer wieder an
irgendwas denken zu müssen, weicht langsam aber sicher der Geduld
und der Einsicht, dass Dinge Zeit brauchen und nicht erzwingbar sind.
Letztendlich wird der Geist ruhiger und
die ganz wilden Gedankenblitze nehmen ab.
Der 4. Tag
Heute wir alles anders. Anfänglich
lässt man uns wiederholt unsere Nase beobachten. Doch am Nachmittag
gibt es eine neue Anweisung der Meisters per Videobotschaft.
Es ist wichtig, keinen Teil des Körpers
unbeobachtet zu lassen. Dies würde verursachen, dass man grob von
Reiz zu Reiz springt, was dazu führt, dass man die Konzentration nur
auf die groben Reize des Körpers beschränkt.
Fortsetzung folgt....
wow, krasse angelegenheit,dann mal weiterhin viel erfolg.
AntwortenLöschenlg katrin