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Sonntag, 18. April 2010

Vipassana Meditation Center, Kuantan, Malaysia

Es ist eine echte Extremsituation.
Ich befinde mich in Kuantan, Malaysia, von dem ich noch nichts gesehen habe, da wir uns direkt in ein 10-tägiges Meditations-Retreat begeben haben. Am 1., 2. und 3. Tag ist es mir nicht möglich, auch nur das Geringste auf zu schreiben. Man kann einfach keinen klaren Gedanken fassen! Man ist wie im Nebel – in totale Verwirrung getaucht. Davon ganz abgesehen, ist es verboten, zu schreiben. Aber diese Regel breche ich nun, da ich dokumentieren will, was in mir vorging.

Fangen wir von vorne an:
Der erste Tag beginnt für mich mit dem Schock des frühen Aufstehens. Um 4 Uhr ertönt der Weck-Gong. Um 4:30 Uhr müssen alle in der Halle versammelt sein zur ersten Meditation, die bis 6:30 Uhr andauert.
Mr. Goenka wird nicht zitiert und seine Lehre nicht von Anderen unterrichtet, auf das sie im Original und unverfälscht den Schüler erreiche. Wir sollen nun nicht mehr nur die Nase, sondern den ganzen Körper spüren. Dabei geht man geordnet vor. Erst Kopf, Gesicht, Hals, rechter Arm, linker Arm, Vorderseite des Körpers, Rückseite des Körpers, Beine und Füße.


Wer nun meint, ach was, man sitze doch eh den ganzen Tag faul herum und habe genügend Zeit zum Nachdenken und Entspannen, der irrt gewaltig!

Die ersten 3 Tage konzentriert man sich nur auf seinen Atem. Wie er in die Nase einströmt und wie er ausströmt.

Dabei ist es wichtig, dass man nur beobachtet und sich keine Gefühle dazu erfindet oder weg denkt. Man solle sich voll und ganz auf das Hier und Jetzt konzentrieren, auf die Gegenwart. Denn wir sind gewohnt, in der Vergangenheit und Zukunft zu denken und das sei nicht gut – so rät der Guru – denn wenn man nicht lernt, im Hier und Jetzt zufrieden zu sein, dann wird man es auch in Zukunft nicht sein.

So kommt es also, dass man am Tag 12 Stunden damit verbringt, seine Nase zu beobachten. Harte Arbeit.

Gegen die ungewohnte Situation rebelliert der Körper und der Verstand mit aller Kraft.

Denn wir sind nicht darauf trainiert, uns auf nur eine Sache zu konzentrieren im Zeitalter des Multitasking.

Unser Verstand wird täglich durch verschiedenste Ablenkungen, wie Fernsehen, laute Musik, Arbeitswelt und Motorenlärm immer schwächer und schwächer gemacht. Der Verstand ist derart verwirrt, dass wir die meisten Gedanken, die wir haben (die ohnehin unwichtig sind) noch nicht einmal zu ende denken. Geschweige denn, dass wir am Tagesende noch wüssten, was wir heute alles gedacht haben.

Nun kommt dieser durchlöcherte Verstand in die Situation, wo er sich 12 Stunden ohne größere Pausen konzentrieren soll.

Ohne Übertreibung – die ersten 3 Tage sind furchtbar. Man kann sich keine 3 Minuten am Stück konzentrieren, geschweige denn eine ganze Stunde. Derart viele Gedanken schießen einem durch den Kopf, dass man Angst hat, durchzudrehen. Diese Gedanken sind blödsinnig, nicht vollständig, meist von Ablehnung und Zweifeln durchzogen.

Man regt sich über sich selbst auf: Kann ich denn wirklich keinen klaren Gedanken fassen? Was soll all dieser Blödsinn in meinem Kopf? Bin ich am Ende doch nur ein schlechter, verbitterter Mensch, der nur Negatives denken kann? Warum komme ich nicht klar? Ich muss doch einfach nur an „Nichts“ denken!

Aber du kannst nicht an „Nichts“ denken, um keinen Preis der Welt.

Der Verstand ist voll von Aversionen. Er ist irritiert bis ins Äußerste, denn er muss zum ersten Mal seine gewohnten Bahnen verlassen.

Dazu kommen die körperlichen Beschwerden. Das lange Stillsitzen und die ungewohnte, aufrechte Haltung. Das frühe Aufstehen. Das Sprech- , Schreib- und Leseverbot. Der fehlende Ausgleich zum Feierabend – denn es gibt keinen Feierabend. Die Freiheit, sich zu bewegen. Das Gelände ist klein und darf nicht verlassen werden. Man kann einen gepflasterten Weg auf dem Gelände auf und ab laufen, was ich jeden Abend – aus lauter Not - auch tue. Die Berührung mit der Natur und ihre Nutzung als Energiequelle fällt so gut wie weg.

Manche Menschen scheinen natur- und freiheitsliebender zu sein, als andere. Jedenfalls scheint es den meisten nicht viel aus zu machen, dass sie sich den ganzen Tag nicht bewegen. Ich dagegen laufe den gepflasterten Weg auf und ab wie eine Ratte in einem zu engen Käfig.

Darüber hinaus sind weitere Regeln für Freigeister schwer erträglich: Die Abgabe sämtlicher Wertsachen inklusive das Ausweises. Das Gelände darf auf keine Fall vor den 10 Tagen verlassen werden. Die Passabgabe finde ich persönlich bedenklich: Denn wie soll man einem Meister vertrauen, der seinen Schülern nicht vertraut?

Der 3. Tag


Es ist so heiß, dass man beim Meditieren eigentlich nur mit Schwitzen und Sitzen beschäftigt ist – ein Gewitter zieht auf. Die Fliegen schwirren herum und setzen sich immer wieder hartnäckig auf die verschwitzte Haut. Die Mitmeditierenden husten und schnupfen, einige chinesische Kollegen rülpsen ungeniert. Die Luft steht.

3 Tage sind nun schon vergangen und ich habe das Gefühl, wir hätten noch nichts gelernt, außer unsere Nase zu beobachten. Aber diese 3 Tage haben ihre Berechtigung. In diesen 3 Tagen haben wir unseren Verstand darauf trainiert, sich auf eine bestimmte Sache zu konzentrieren und allen anderen Gedanken keine Bedeutung bei zu messen. Beharrlich zu bleiben, Gedanken kommen und gehen zu lassen. Das Gefühl der Frustration, immer wieder an irgendwas denken zu müssen, weicht langsam aber sicher der Geduld und der Einsicht, dass Dinge Zeit brauchen und nicht erzwingbar sind.

Letztendlich wird der Geist ruhiger und die ganz wilden Gedankenblitze nehmen ab.

Der 4. Tag

Heute wir alles anders. Anfänglich lässt man uns wiederholt unsere Nase beobachten. Doch am Nachmittag gibt es eine neue Anweisung der Meisters per Videobotschaft.


Es ist wichtig, keinen Teil des Körpers unbeobachtet zu lassen. Dies würde verursachen, dass man grob von Reiz zu Reiz springt, was dazu führt, dass man die Konzentration nur auf die groben Reize des Körpers beschränkt.
Fortsetzung folgt....

1 Kommentar:

  1. wow, krasse angelegenheit,dann mal weiterhin viel erfolg.

    lg katrin

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