Tag 1
Seit 2 Jahren wohne ich jetzt schon in
Berlin. Seit März 2012 mit festem Wohnsitz. Da ich nun sesshaft
geworden bin, entwickle ich mich langsam aber sicher zum Spießer –
das ist meine zweite Pauschalreise, die ich buche (nach Mallorca!).
Last-Minute-Suchmaschinen - manchmal
sind sie ganz brauchbar.
Über 3 Wochen hatte ich dieses Mal die
Preise beobachtet, kannte schon alle Hotelnamen mitsamt Lage und
Ausstattung auswendig. Diesmal wollte ich nur WARM, siehe deutsches
Winterwetter, uns allem schmerzhaft gegenwärtig.
Aber so einfach war
es nun auch wieder nicht.
Warm, aber kein Touristenghetto, bitte mit
Busanschluss und nicht weit von einer Stadt mit normalen
Menschen. Biodiversität, wahlweise über oder unter Wasser, aber
wenn unter Wasser, dann schnorcheltaugliche Wassertemperaturen.
Die Pauschalreisepreise vor Ostern
schießen jeden Tag weiter in die Höhe.
2 Tage vor Abreise wird dann
plötzlich einer krank.
7 Tage Madeira, Canico de Baixo - ich schlage
zu.
Madeira!
Die Blumeninsel, die
Wanderinsel – und das Beste: Es gibt Wale!
Obwohl - Blumeninsel,
Wanderinsel – hört sich auf den ersten Blick nach Rentnerurlaub
an...
Der Altersdurchschnitt im Flieger liegt
dann auch bei ca. 65, von 2 jungen Müttern mit Säuglingen, einem
jungen verliebten Pärchen und mir massiv nach unten gedrückt.
Ich frage mich, warum in den
Osterferien die Preise für Madeira durch die Decke gehen – hier
musste doch fast keiner Urlaub nehmen!
Als wir landen, klatschen
alle...
Am Kofferband draußen arbeitet ein
auffallend gut aussehender Madeirer. Seine Kollegen sind auch sehr
sympatisch. Aber er ist der Chef, hat die Liste in der Hand...Macht
macht sexy.
Ich wünsche mir, am Kofferband würden fünf gleich
aussehende, grauhaarige Rentner arbeiten, dafür aber wäre der
Flieger voll von jungen Kofferbandarbeitern.
Im Bus neben mir sitzt ein älterer
Gentleman. Laut Eigenaussage ist er zum 13. Mal auf Madeira und kennt
sich aus. Als ich ihn frage, was er so empfehlen kann, sagt er, ich
solle die geführten Wanderungen vom TUI-Schalter buchen, die
wüssten, wo alles liege.
Wo die Eukalyptus- und Lorbeerwälder sind,
will ich wissen.
Er meint, da müsse ich die Lorbeerwald-Wanderung
buchen, aber wo genau die Wälder liegen, wisse er nicht. Dann macht
er sich in herablassendem Ton über meine Schuhe lustig, die ja gar
keine Wanderschuhe seien. Wie war das nochmal mit dem Gentleman?
„Alt“ ist nicht immer gleich zu setzten mit „weise“.
Am gleichen Tag unternehme ich eine
Wanderung zur Kirche des Dorfes. Canico Baixo liegt an der Küste,
das Hotel direkt am Meer. Zum Hauptort läuft man eine Stunde und hat
einen Anstieg zu überwinden, der trainierte Schenkel erfordert.
In meinem Dorf gibt es eine Straße,
die für mich immer als die steilste Straße der Welt galt. Hier auf
Madeira wird mein Horizont dahingehend erweitert – noch nie habe
ich eine Landschaft gesehen, die so bergig ist, aber trotzdem so
genial von ihren Bewohnern genutzt wird.
Alles findet auf verschiedenen Etagen
statt. Das Land fällt so stark ab und schießt so steil in die Höhe,
dass man seine Wahrnehmung umstellen muss. Wo der normale Deutsche
nach rechts und links guckt, um den Verkehr zu überprüfen und dann
vielleicht noch nach unten, um Trittfehler zu vermeiden, solltest Du
hier lernen, auch nach oben zu gucken – und zwar in verschiedene
Höhen, denn das Meiste ist viele Etagen über Dir an eine der
Felswände geklatscht.
Eine architektonische Meisterleistung,
was die Einwohner sich hier haben einfallen lassen. Das Straßensystem aus Tunneln und
Brücken, die gute Infrastruktur mittels Bussen und
allem voran das unglaublich gut durchdachte Bewässerungssystem der
Insel lassen auf äußerst intelligente Einwohner schließen.
Als ich an der Kirche ankomme, habe ich
schätzungsweise 500 Höhenmeter hinter mir und meine Beinen fühlen
sich an wie in Milch getunkte Brötchen.
Helligkeit, Sonne, milde Luft, weiches
Wasser, Meer, Blütenmeere, Gemüsebeete, Fruchtbäume aller Sorten,
Kakteen, Sukkulenten...das alles ist ein Luxus, den ich dankbar zu
schätzen weiß, nach einem der dunkelsten Winter der deutschen
Wetteraufzeichnung.
Außerdem soll es hier noch sagenhaften frischen
Fisch und generell total gesunde Mahlzeiten mit viel selbst
geerntetem Gemüse geben (ich freue mich schon aufs Abendessen).
Madeira ist das Paradies!
Besonders begeistert mich das Klima!
Das ganze Jahr ändert sich nicht viel. Im Sommer ist es etwas
heißer, aber im Winter wird es nie richtig kalt. Auch der
Unterschied zwischen Tag und Nacht ist nicht besonders groß. Regnet
es, heißt das nicht, dass es automatisch viel kälter wird.
Als ich meine fahle, schuppige
Winterhaut, die mich im Moment an den Kalk-Nagestein meines früheren
Meerschweinchens erinnert und die dünn herabhängenden,
ausgetrockneten Haare das erste Mal dem Madeirawasser aussetzte,
erfahre ich eine wunderbare Wandlung. Das Haar plustert sich sofort
pudelmäßig auf. Auch die Haut atmet auf – das Klima ist
feucht-warm, tropisch, geradezu dschungelmäßig!!!
Begeisterung an
allen Fronten.
Abends probiere ich eine der
Spezialitäten des Landes – den Degenfisch.
Der Degenfisch ist ein Fisch der
Finsternis, hat Augen so groß wie der Durchmesser einer Herrenuhr
und wird in 1500 m Tiefe gefangen.
Es gibt viele Rezepte mit Degenfisch,
aber am bekanntesten ist er gebraten in einer leichten Panade, garniert mit gebackenen Honig-Bananen. Da ich das an diesem Abend
noch nicht weiß, nehme ich Degenfisch mit Krabbensoße. Hätte ich
an diesem Tag aber schon herausgefunden, dass der Degenfisch mit
Banane noch viel viel besser schmeckt, hätte ich von Anfang an jeden
Tag nur Bananen-Degenfisch gegessen.