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Donnerstag, 29. Oktober 2009

Was Di aus H. vor ihrer Weltreise getan hat


1976 - 1996
Die ersten 18 Jahre meines Lebens verbrachte ich ohne viel zu denken, so kommt es mir jedenfalls heute vor.
 

Ich kann mich nicht daran erinnern, in diesen Jahren jemals etwas wirklich Wichtiges gedacht oder erfahren zu haben, ganz zu schweigen davon, mein Leben aktiv bestimmt zu haben. Man lebte halt so dahin, betäubte sich mit Nebensächlichkeiten und Fernsehen, hatte keinen Spaß am Lernen oder an Diskussionen. Es war nun mal der Alltag eines Kindes oder Teenagers: Es ging um Zimmer aufräumen, zur Schule gehen, Sachen haben wollen, sich anzupassen. Man hörte die Meinungen der Erwachsenen an und traute sich selbst nicht zu, seine eigene Meinung zu verteten. Ohnehin war ich schon von Natur aus ein sehr schüchternes und zurückhaltendes Kind, das sich wenig zutraute.


1996 - 2001

1996 fing ich an, eine Ausbildung zu absolvieren und danach, in meinem gelernten Beruf als Handelsfachwirtin zu arbeiten. Immerhin stand ich jetzt auf eigenen Beinen, was aber immer noch nicht bedeutete, dass ich nachdachte.
Nun arbeitete ich halt und verdiente gut. Mit dem Geld gönnte ich mir im Prinzip alles, wonach mir der Sinn stand. Ich kaufte ein großes Auto, hatte eine schicke Wohnung, tolle Klamotten, viele CDs, Computer und sonstiges Zubehör.
Manchmal kam es sogar vor, dass ich aus purer Langeweile in die Stadt fuhr und mir irgendetwas kaufte, was ich eigentlich gar nicht brauchte.
Ich wußte einfach nichts anderes mit mir anzufangen. Ich hatte irgendwann alles, was ich brauchte und wollte und wurde trotzdem von Tag zu Tag unzufriedener.



2001 - 2007

2001 verbrachte ich meinen ersten Urlaub in Asien, genauer gesagt in Indonesien, auf Bali, und lernte Sam kennen. Sam ist Indonesier, stammt aus Java und ist Moslem.
Ich hatte bis dato keinerlei Erfahrung mit fremden Nationen und Religionen, kannte nur wenige „Ausländer“ in Deutschland.


Und natürlich hatte ich Vorurteile.

Zu dieser Zeit war ich immerhin schon 24 Jahre alt, aber in punkto Weitsicht und Horizont hatte sich noch nicht viel getan. Ich vermutete am Anfang sogar, dass Sam in einem Slum wohnt und sich nie die Zähne putzt! Heute schäme ich mich natürlich für diese Gedanken, aber zu dieser Zeit wußte ich es einfach nicht besser – und wer hätte es mir auch beibringen können? Ich kam vom Dorf, das merkte man.

Sam ist ein wunderbarer Mensch, ein Mensch, der nichts aus Berechnung tut. Ich hatte so etwas vorher noch nie gesehen. Sam war glücklich, wenn er anderen helfen konnte. Sam log nicht und er versuchte nicht, eine Situation zu seinem eigenen Vorteil auszunutzen.
Am Anfang kam mir das komisch vor. Weltfremd oder auch blauäugig.
Ich verstand nicht, wenn er sagte, sein Lebensziel sei das Verständnis für die Welt zu entwickeln und die Fähigkeit, alles vergeben zu können – sozusagen in Gleichmut zu leben, der über allem steht.


Was aber immerhin bei mir hängenblieb, war, dass diese Leute, obwohl sie arm waren und einen viel geringeren Bildungsstandard hatten, viel mehr wußten als ich! Sie konnten ihre Handlungen schlüssig erklären, sie hatten Interessen, Menschenkenntnis, Sprachkenntnisse und vor allem viel mehr Wissen über andere Kulturen und Religionen. Durch dieses Wissen waren sie irgendwie ruhiger, friedfertiger, gerechter in ihren Handlungen.
Das gab mir zu denken.

Nun wollte ich auch so sein. Ich wollte alles wissen, was sie wußten! Ich wollte mich endlich als Person definieren können.
 

Ich stellte mir unzählige Fragen: Wer bist Du eigentlich? Und was machst Du eigentlich die ganze Zeit? Und wofür? Was ist Dein Ziel? Was ist der Sinn dieses Zieles?
Ich hielt es noch einige Monate in meinem Job aus. Dann kündigte ich und begann nach einem internationalen Studienfach Ausschau zu halten.

Gott sei gedankt, dass ich durch meine 6-jährige Karriere 13 Wartesemester angesammelt hatte, sonst hätte ich mir das auserwählte Studium mit meinem mauen Notendurchschnitt abschminken können. Mit einem Numerus clausus von 1,3 rutschte ich dennoch in das erwünschte Studienfach und in meine verheißungsvolle Zukunft.

Als ich an der Heilbronner Hochschule für Wirtschaft und Technik 2002 mein Studium der internationalen BWL begann, konnte ich so gut wie keine Fremdsprache sprechen und war beindruckt von der Vielzahl an „Young professionals“ – Leuten, meist Akademikerkindern, die schon zahlreiche Auslandsaufenthalte vorzuweisen hatten und Wirtschaft als Leistungskurs in der Schule belegt hatten. 
Dazu sei noch erwähnt, dass meine Leistungskurse Deutsch, Kunst, Bio und Religion waren – Wirtschaft gab es nur als Grundkurs.

Im Wintersemester 2003 wagte ich mein erstes Studiensemester außerhalb Europas. Natürlich ging ich nach Indonesien, das kannte ich schließlich schon. Und wie schon erwähnt, ich war zu dieser Zeit nicht gerade die Wagemutigste.

Als ich aus Bali zurück kam, hatte ich mehrere (für mich) beachtliche Erfolge erzielt: Ich hatte ein paar echte und aufrichtige Freunde gefunden.
Ich konnte nun besser englisch sprechen.
Ich hatte mich zum ersten Mal allein in einem fremden Land in einer völlig anderen Kultur bewegt. Und ich wußte nun, wie Japaner, Australier, Süd-Afrikaner, Koreaner und Amerikaner aussahen und was sie so zu erzählen hatten.
 

Das interessierte mich. Zum ersten Mal in meinem Leben interessierte ich mich für etwas wirklich!

Im Sommersemester 2005 ging ich nach Frankreich, Marseille, hauptsächlich um französisch zu lernen. Ich jobbte für einen Guesthouse-Eigentümer und teilte mein Zimmer mit einem älteren Franzosen jüdischer Abstammung, der auf Mykonos lebte und gerade versuchte, sich umzubringen, indem er sich zu Tode trank. Wieder fand ich zahlreiche andere Meinungen, kulturelle Unterschiede und liebe, tolerante Menschen vor.

Gleich danach, im Wintersemester 2005 / 2006 schlitterte ich zum nächsten Höhepunkt meines Lebens: Bei meiner bisher vielfältigsten Auslandserfahrung in Thailand, Bangkok, lernte ich wieder so einiges! Ich gewann wieder echte, ehrliche Menschen, mit denen ich bis heute befreundet bin und sprach mit weisen Menschen, die mir ihre Philosophie näher brachten. 
Ich besuchte zahlreiche Orte: Pnom Penh, den Angkor Wat, Hong Kong, Kuala Lumpur, Nordthailand und Singapore.
 

Je mehr ich sah und die Menschen kennenlernte, desto mehr wurde mir klar, dass man die Begriffe Hochkultur und Industrieland keinesfalls in einen Topf schmeissen sollte.
Ich lernte, dass Charakterstärke nicht heißt, sich durchzusetzen um jeden Preis, sondern vielmehr, dem anderen das Gesicht zu wahren, ihn in seiner ganzen Ehre und Person zu akzeptieren. Ich lernte, dass es moralische Maßstäbe gibt, die in unserer Welt in Vergessenheit geraten sind oder als „uncool“ gelten.
 

Warum halten Menschen in unseren Breiten das Schlechte in der Welt für cooler, als das Gute? Warum gilt es eigentlich in der westlichen Welt als schick, jemanden für seine Zwecke auszunutzen? Warum gilt es als Schwäche, nachzugeben? Über diese Fragen hatte ich noch nie nachgedacht. Die Thais schon. Thailand - dort, wo es Menschen gibt, die sich ernsthaft Vorwürfe machen, dass Sie gegrillte Heuschrecken auf dem Markt verkaufen, um davon zu überleben und diese zu diesem Zweck töten müssen – wer kann da umhin, diese Leute nicht zu lieben?

Im Februar 2006 ging ich zurück nach Deutschland. Ich vervollständigte mein Studium der Internationalen Betriebswirtschaftslehre und gab Ende Oktober 2008 meine Diplomarbeit ab. Vor allem die Diplomarbeit war stressfreier gelaufen, als ich mir das je erträumt hatte und ich hatte das große Glück, dass mich das Thema, was ich von einer Firma gestellt bekommen hatte, auch wirklich interessierte. Nebenbei hatte ich sogar noch Zeit für zwei Jobs, einmal Kassiererin im Adler-Modemarkt und zum anderen Marketing-Assistentin in einem Software-Systemhaus in Stuttgart.


2008 - 2009. Auf nach Katar!

Als ich mein Diplom in den Händen hielt, bewarb ich mich eher lustlos erst mal in Deutschland. Irgendwie hatte ich jedoch das Gefühl, das mich in Deutschland nicht viel erwartet. Ich wollte eine interessante Arbeit, eine mit Spannung, neuen Herausforderungen, Verantwortung – und vor allem etwas Internationales!

Doha. Das ist die Hauptstadt von Katar, bekannt durch den Nachrichtensender Al Djasira und dem aktuellen Einstieg des Emirs bei Porsche. Das kleine Emirat liegt auf einer Halbinsel, die nur an Saudi Arabien grenzt.

Also auf nach Doha!

Doha Islamic Culture Centre

L1040835



Warum hatte ich als Nebenfach interkulturelle Studien mit den Schwerpunkt Arabische Welt studiert? Um dann nie hinzugehen? Es gab viele Kommilitonen meiner ehemaligen Hochschule, die alle vielversprechende Abschlüsse geholt hatten dann am Ende im Schwäbischen Ländle, nicht weit ihrer Geburtsstadt, hängenblieben.

Glücklicherweise hatte ich an meiner Hochschule aber auch eine nicht-schwäbische Freundin! Diese hatte, genauso unternehmungslustig wie ich, einen Job bei einem Softwareunternehmen angenommen und war zufällig gerade in Katar zu einem Projekt stationiert.
Ich fuhr also hin. Ich war arbeitslos, ich hatte wenig Geld. Aber Glück und Geduld kann man ja nicht kaufen...


Nach 3 Monaten und zahlreichen Vorstellungsgesprächen fand mich mein zukünftiger Chef auf einer Qatari-Internetseite, auf der ich meinen Lebenslauf veröffentlicht hatte. Er stellte mich sofort ein.
Bei der Firma unter ägyptischem Management, hatte ich nun den schönen Titel „Project & Office Coordinator“ bekommen. Um diesem Titel gerecht zu werden, gab es mal wieder viel zu lernen. Aber auch die arabische Mentalität interessierte mich.





In den ersten Monaten fand ich vieles am Golf sehr ungewöhnlich und fremd. Als ich nach einem Jahr und 4 Monaten nicht mehr die Araber als ungewöhnlich und fremd empfand, sondern eher meine eigenen Landsleute, entschied ich mich: Nun war die Zeit am Golf zu Ende. Die Erfahrungen waren gemacht, das Neue gelernt und verarbeitet. Es wurde Zeit für neue, spannende Erfahrungen.....